Ex-HSV-Coach Thorsten Fink lässt KRC Genk vom Meistertitel träumen
Fink lässt KRC Genk vom Titel träumen – In Belgien gereift „wie ein guter Wein“Als Thorsten Fink zu Saisonbeginn beim KRC Genk unterschrieb, übernahm der ehemalige HSV-Trainer einen kranken Patienten. Mittlerweile lässt sich klar sagen, dass Fink einen großen Anteil an der Gesundung des Teams hat. Genk hat im Titelrennen um die belgische Meisterschaft die Nase vorn. Bei spricht der frühere Bayern-Profi über die Frischzellenkur für die Limburger und seine Entwicklung zum geduldigen, „ganzheitlichen“ Trainer.Den inoffiziellen Titel als Herbstmeister sicherte sich der KRC Genk mit nur einem Punkt Vorsprung auf den FC Brügge, mittlerweile ist es nicht mehr so eng. Sechs Punkte Vorsprung hat das Team auf den einstigen Serienmeister, schon elf Punkte sind es auf die drittplatzierte Union SG. Fragt man nach dem Baumeister des derzeitigen Erfolgs der Blau-Weißen fällt immer wieder der Name Thorsten Fink. Als der ehemalige HSV-Trainer im Sommer das Cheftraineramt beim viermaligen belgischen Meister übernahm, war der Klub alles andere als eine Spitzenmannschaft.Die Saison 23/24 beendete der KRC in den Playoffs als Tabellenfünfter fernab der Tabellenspitze und verpasste sogar die Europacup-Plätze. Seitdem hat sich viel verändert. „Uns zeichnet der Spirit und der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft, innerhalb des Vereins und auch innerhalb der Fangemeinde aus“, sagt der 57-Jährige. „Jeder ist bereit für den anderen auf dem Feld zu arbeiten und zu ackern. Die positive Folge daraus ist unsere bisherige Saisonleistung.“Nach angepasster Spielweise: Finks „Gamechanger“ gegen BrüggeDabei war der gebürtige Dortmunder mit seinem Team nicht wirklich erfolgreich in die Saison gestartet. Nach den ersten zwei Spieltagen hatte Genk nur einen Punkt auf der Habenseite. Fink bekundet: „Ein ganz wichtiger Lerneffekt in meiner Trainerkarriere war zu verstehen, dass ein Coach flexibel und variabel sein muss. Ich habe den Fußball nicht erfunden, sondern ich lerne von jedem Trainer, egal in welcher Liga, etwas Neues. Nach dem zweiten Spieltag habe ich festgestellt, die Spielweise, die ich eigentlich implementieren wollte, passt nicht, also habe ich mich dazu entschieden, neue Wege zu gehen und eine andere Spielweise der Mannschaft an die Hand zu geben.“ Dann kam die denkwürdige Begegnung mit dem FC Brügge.Als „Gamechanger“ hebt Fink die Partie gegen Brügge hervor: „Zur Halbzeit haben wir 0:2 zurücklegen, also haben wir entschieden, wir stellen das System um, wir drehen an bestimmten Stellschrauben. Am Ende haben wir das Spiel mit 3:2 gewonnen. Das hat mir nochmal verdeutlichtet, wie wichtig es ist, nicht starr an einem Muster festzuhalten, sondern flexibel auf die Situationen zu reagieren.“Mit seinem Team konnte Fink in 23 Liga-Partien 16 Siege einfahren. Dass in der Rückrunde und den Ende März startenden Meisterschaftsplayoffs viel von den Blau-Weißen gefordert wird und der Erwartungsdruck zunimmt, damit kann der Ex-Profi umgehen. Die Rolle als Gejagter ist ihm deutlich lieber als die des Jägers. „Wenn man eine lange Wanderung vornimmt, dann freut man sich doch, wenn man am Ende runter ins Tal schauen und den Ausblick genießen kann“, erklärt Fink. „Ich kann verstehen, dass uns viele Außenstehende Druck aufbürden wollen, aber ich finde, Druck haben andere Vereine in Belgien. Wir wissen, woher wir kommen und wo wir zum Ende der letzten Saison standen. Meinen Spielern sage ich immer wieder, sie sollen die Situation genießen, weil sich ihre harte Arbeit endlich auszahlt. Unser oberstes Ziel und unser Anspruch ist es, mit unserem Fußball den Fans einen schönen Nachmittag oder Abend zu ermöglichen.“Fink: „Sehe mich als ganzheitlichen Trainer“Fink gilt als Menschenfänger, als ein Trainer, der genau versteht, wie seine Spieler denken. Schließlich absolvierte er in seiner aktiven Karriere über 350 Partien in der Bundesliga und gewann dabei unter anderem die deutsche Meisterschaft, den DFB-Pokal und die Champions League. Er hat vor der Saison penibel darauf geachtet, dass die Spieler nicht nur sportlich zusammenpassen, sondern auch die jeweiligen Charaktere harmonieren.>
Distanz wahren, diese Bezeichnung gibt es nur in Deutschland.Distanz wahren, diese Bezeichnung gibt es nur in Deutschland.„Ich sehe mich als ganzheitlichen Trainer“, betont Fink. „Das heißt, ich möchte meine Spieler nicht nur im sportlichen Bereich weiterentwickeln, sondern auch auf der menschlichen Ebene. Deshalb sind die wichtigsten Dinge für einen Trainer Empathie und Menschlichkeit. Es gibt Studien, die besagen, Menschen verlassen das Unternehmen nicht wegen des Jobs, sondern wegen ihrer Kollegen oder der Führungskräfte. So verhält es sich auch im Fußball. Ein Erfolgsteam kann nur entstehen, wenn auch die menschliche Komponente passt, wenn ein absolutes Vertrauensverhältnis entsteht. Mein Antrieb ist es, die Spieler weiterzubringen, sie zu entwickeln, zu sehen, welche positiven Schritte sie innerhalb von Wochen oder Monaten gehen, erfüllt mich. Das ist mein Antrieb als Trainer.“Auf die Frage, wie die Distanz zwischen Trainer und Spieler gewahrt werden kann, muss Fink lachen. „Distanz wahren, diese Bezeichnung gibt es nur in Deutschland. Es gibt einen Unterschied zwischen Respekt haben und Distanz wahren. Ich begegne meinen Spielern mit absolutem Respekt, weil ich das Gleiche von ihnen vordere, aber Distanz wahren suggeriert bereits, ich will nichts mit dir zu tun haben. Dabei muss ich gerade offen für meine Spieler sein, ich muss fühlen, was sie bewegt. Deshalb gehe ich auch regelmäßig mit meinen Spielern essen. Ich lerne doch den Menschen hinter dem Sportler erst kennen, wenn ich das Umfeld Kabine und Fußballplatz verlasse. Ich bin davon überzeugt, ich gewinne erst den Menschen und dann den Sportler.“Fink: „Hitzfeld war in vielerlei Hinsicht ein großes Vorbild“Die Spieler zu verstehen ist die eine Sache, wie schafft man es aber, die Spieler auch von dem vorgegeben Weg zu überzeugen? Fink meint, dass er mit klaren Werten, die frühzeitig definiert werden, viele Spieler abholen und mitnehmen kann. „Wenn ich eine Sache gelernt habe, dann: Sei ehrlich und authentisch zu deinen Spielern. Wenn ein Profi nicht spielt, dann nimm dir die Zeit diesem zu erklären, warum er nicht spielt und erklär dies nicht mit irgendwelchen Floskeln. Nimm dir die Zeit etwas mit Daten zu untermauern und zeige ihm gleichzeitig Lösungswege auf, wie er sich verbessern kann.“Von Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld habe er gelernt, dass man als Trainer dafür verantwortlich sei, dass sich jeder im Team wertgeschätzt fühlt, unabhängig davon, ob er am Wochenende spielt oder auf der Bank sitzt. „Ottmar war in vielerlei Hinsicht ein großes Vorbild für mich“, sagt Fink. „Wenn er den Raum betreten hat, dann war diese gewisse Aura um ihn, aber gleichzeitig ist er uns Spielern immer auf Augenhöhe begegnet.“Aus Sicht vieler Trainer ist das Wörtchen Motivation der Schlüssel zum Erfolg. Für den Ex-Profi hat ein anderes Wort eine größere Bedeutung. „Klar gibt es Spieler, die man motivieren muss, aber ich sehe mich nicht als Clown oder Entertainer. Die Motivation muss ganz klar intrinsischer Art sein. Viel wichtiger ist die Inspiration. Wie schaffe ich es mit meinem Tun und Handeln meine Spieler zu inspirieren. Ich möchte eine Art Vorbild für meine Spieler sein. In meiner Karriere habe ich vieles richtig gemacht, aber bestimmt auch Dinge falsch. Wenn ich meine Erfahrungen mit ihnen teile, dann können sie unter Umständen bestimmte Wege schneller gehen und kommen schneller ans Ziel“, sagt der 367-malige Bundesliga-Spieler.Fink: „Wurde ausgelacht, als ich sagte, Arokodare wird bester Torjäger“Nicht nur die derzeitige Punkteausbeute spricht für Fink als Trainer, sondern auch die Tatsache, dass er konsequent junge Spieler fördert und ausbildet. Unter seiner Ägide haben sich junge Talente wie Matte Smets und Jarne Steuckers , mit denen er schon in St. Truiden arbeitete, oder Tolu Arokodare zu Leistungsträgern innerhalb der Mannschaft entwickelt und gehören im Ligavergleich zu den stärksten Spielern. „Nicht von ungefähr gilt die belgische Liga als meistgescoutete Spielklasse Europas“, weiß Fink. „Die Spieler genießen eine Top-Ausbildung, sie sind im Taktischen sowie im Spielerischen im Vergleich weit vorne und bringen auch die nötige Physis mit. Ich traue Jungs wie Tolu Arokodare oder Matte Smets locker den Sprung in eine Top-Liga zu. Tolu wurde vor der Saison von vielen belächelt. Ich wurde ausgelacht, als ich gesagt habe, der Junge wird der beste Torjäger der Saison. Für mich bringt er alles mit, um auf höchstem Niveau zu bestehen.“Fink warnt jedoch davor, zu viel Druck auf junge Spieler aufzubauen und nennt mit Konstantinos Karetsas ein Beispiel: „Auf der einen Seite ist Konstantinos ein Riesentalent, er wird mit europäischen Top-Klubs in Verbindung gebracht. Auf der anderen Seite ist er gerade einmal 17 Jahre alt, er ist mitten in der Pubertät. Wenn ich ihn in jedem Spiel einsetze, verheize ich ihn komplett. Wie soll ein 17-Jähriger, der sich gerade in der Selbstfindung befindet, mit dem ganzen Stress und Rummel umgehen? Ich fahre deshalb die Devise, junge Talente langsam und mit Geduld aufzubauen.“Fink: „Ich bin wie ein guter Wein“In den vergangenen Jahren wurde Fink in Deutschland für seine Auslandstätigkeiten mitunter belächelt, zog aufgrund der Stationen in Japan, Lettland und den Vereinigten Arabischen Emiraten den Ruf des Globetrotters auf sich. „Klar kriegt man die Sprüche mit und auch der Ruf, der teilweise an einem gehaftet hat. Aber man muss sagen, dass viele Menschen zu sehr auf andere schauen als auf sich selbst. Der Weg, den ich gegangen bin, war mein eigener Weg. Natürlich waren manche Entscheidungen nicht richtig, aber sie haben mich zu dem Trainer und dem Menschen werden lassen, der ich jetzt bin. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, ein loyales Trainerteam an seiner Seite zu wissen. Ich habe gelernt, dass du ohne Unterstützung von Präsident und Sportdirektor nichts bist. Und ich konnte durch meine Auslandserfahrungen meinen Horizont extrem erweitern. Ich bin als Mensch gereift. Ich würde sagen, ich bin wie ein guter Wein .“Als junger Trainer habe Fink nur den Fokus darauf gehabt, wie er möglichst schnell den nächsten Step gehen könne. „Früher habe ich mich von Emotionen leiten lassen“, sagt er. „In jeder Partie bin ich mindestens einmal ausgerastet und wurde entsprechend laut in der Kabine. Heute habe ich vielmehr Geduld mit meinen Spielern. Bevor ich mich zu etwas verleiten lasse, schlafe ich eine Nacht drüber und gehe dann erstmal wertneutral in die Analyse. Jeder Spieler macht Fehler und meine Aufgabe als Trainer ist es, gemeinsam mit den Spielern die Fehler zu analysieren, die Schwächen abzustellen und die Stärken herauszuarbeiten.“
Archiv: Thorsten Fink im Interview über seine Zeit in Basel, beim HSV und in Japan – hier lesen!Die gesammelten Erfahrungen helfen Fink bei seiner Arbeit in Genk. Der derzeitige Erfolg wird auch innerhalb der Stadt wertgeschätzt, so wird er häufiger auf der Straße angesprochen. Und alle Fans eint der Wunsch nach dem nächsten Meistertitel, es wäre nach den Jahren 1999, 2002, 2011 und 2019 der fünfte Triumph. „Genk ist für mich meine 13. Trainerstation und ich muss sagen, ich fühle mich hier extrem wohl, ich fühle mich in gewisser Weise auch angekommen. Wir alle haben ein gemeinsames Ziel, und das ist Erfolg. Jedoch baut sich Erfolg nicht von heute auf morgen auf, sondern wird langfristig erarbeitet. Ich finde, wir haben bereits jetzt schon eine sehr gute Saison gespielt, und jetzt liegt es in unserer Macht, diese Saison weiter zu vergolden und maximalen Erfolg einzufahren.“Interview: Henrik Stadnischenko